Saturday, September 02, 2006

Berliner Senat stellt sich hinter als antisemitisch beanstandetes Theaterstück

Patrick Neu
Die Kontroverse um das mit öffentlichen Geldern der Stadt Berlin geförderte Projekt „Jugendtheater für Frieden und Gerechtigkeit – gegen Antisemitismus und Islamophobie“ (siehe letzen Post) hat nunmehr auch das Berliner Abgeordnetenhaus erreicht. Bereits im Mai war vom innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion Alexander Ritzmann eine Kleine Anfrage mit dem Titel „Fördert der Senat antisemitische Jugendprojekte?“ eingereicht worden. Nun liegt die Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, vertreten durch die Staatssekretärin Petra Leuschner (PDS), vor. Diese lässt keinen Zweifel daran, dass das Problem keineswegs ausschließlich bei der Theatergruppe liegt, deren Pädagogik Analogien zwischen Israel und Nazideutschland bedient und Terrorismus verharmlost. Vielmehr zeigen die politischen Entscheidungsträger, dass es ihnen an jeglicher Sensibilität für die Problematik des modernen Antisemitismus mangelt. Auf die Frage nach den vom Theaterstück bedienten antisemitischen Stereotypen geht Leuschner gar nicht erst ein. Stattdessen heißt es in ihrer Antwort, dass die „vielfältige[n] Probleme und Lebenserfahrungen der beteiligten Jugendlichen (u.a. mit palästinensischem oder türkischem Migrationshintergrund) in jugendgemäßer Form auf der Bühne dargestellt, problematisiert und der Diskussion zugänglich gemacht“ würden. Will sie damit sagen, dass etwa die Darstellung Israels als Nazistaat als Ergebnis dieser pädagogischen Auseinandersetzung akzeptabel ist, weil es sich immerhin um Jugendliche mit arabischem und islamischem Hintergrund handelt? Es folgt eine Aufzählung einzelner pädagogischer Maßnahmen, die vor allem illustrieren sollen, dass sich die Gruppe eingehend mit der Shoah befasst hat. Die Staatssekretärin scheint damit zu suggerieren, dass dies bereits als Prophylaxe gegen Antisemitismus ausreiche. Der vom Theaterstück „Intifada im Klassenzimmer“ propagierte radikale Hass auf Israel ist ihr hingegen keinen Kommentar wert. Und wo es kein Problem gibt, gibt es auch keinen Grund, sich zu schämen. Dementsprechend scheut sich der Senat nicht, zu erwähnen, dass mit den Projektverantwortlichen „regelmäßig Gespräche vor Ort geführt“ und „Aufführungen des Theaterstücks besucht“ wurden. Man habe Produkte der Projektarbeit, wie eben das besagte Theaterstück, sogar geprüft. Selbst die „ausführliche Videodokumentation des Projektablaufs“ sei „von der Bewilligungsstelle zur Kenntnis genommen“ worden. Bedenken habe es dabei nicht gegeben. Es folgt eine Aufzählung der Auszeichnungen, die dem Projekt zuteil geworden sind. Die Staatssekretärin gibt ein Paradebeispiel davon ab, wie man problematische Inhalte mittels schöner Verpackung übergeht und dieser noch den sprichwörtlichen Koscherstempel aufdrückt: zum einen wird gerade aus einem in der Jüdischen Allgemeinen erschienen Jubelartikel zitiert, obwohl es in zahlreichen nichtjüdischem Medien ebenfalls positive Kritiken gab; zum anderen werden neben der Beiratsvorsitzenden des Projekts, der Professorin Christine Kulke von der Technischen Universität Berlin, ausgerechnet die Geschäftsführerin des „Weltkongresses Russischsprachiger Juden“ und die Vorsitzende der Jugendorganisation der Deutsch-Israelischen Gesellschaft“ als einzige unter den übrigen Beiratsmitgliedern namentlich angeführt, so als ob sich hierdurch eine Diskussion über die inkriminierten Inhalten der Pädagogik erübrigen würde. Es gehört nicht viel dazu, um zu erkennen, dass hier dasselbe reflexhafte und auf Ressentiment beruhende Verhaltensmuster, sich jüdischer oder aus einem israelnahen Umfeld stammender Kronzeugen zu bedienen, gepflegt wird, welches auch der Leiter des Projekts Ahmed Shah offenbart. Ganz nach dem Motto: Seht her, wenn schon die Juden nichts dagegen haben … Auch Shahs politischer Hintergrund - laut der trotzkistischen Zeitung Linksruck Gründungsmitglied der gleichnamigen linksextremen Gruppierung - interessiert Leuschner nicht. Dass dieser u.a. Israels Existenzrecht implizit infrage stellt, wird vom Senat als „eine private Meinungsäußerung eines einzelnen Projektmitarbeiters“ abgetan. Diese sei „angesichts der von vielen Seiten beachteten und positiv bewerteten Projektergebnisse […] nicht dazu geeignet die insgesamt positive Gesamtbewertung des Projekts und seiner Arbeitsergebnisse in Frage zu stellen.“ Dass dieser Abstecher ins Absurdistan politischer Ausreden kein Zufall ist, macht die Stellungnahme zu den problematischen Medien, in denen Shah publiziert, deutlich. Die PDS-Frau greift sich einen vergleichsweise harmlosen Beitrag aus dem Organ Linksruck Argumente heraus, der sich mit Theatertheorie beschäftigt. Andere Veröffentlichungen Shahs, vor allem im „Linksruck“-Medium Sozialismus von unten, in denen er sich z.B. auf Lenins Überlegungen, die auf die „Zerschlagung des bürgerlichen Staats“ und eine zumindest vorübergehende „Diktatur des Proletariats“ abzielen, als für die eigene politische Bewegung positive Theorie bezieht, werden ignoriert. Die Förderung des Projekts endete laut Senat am 30. Juni. Eigentlich wäre dies eine Gelegenheit, die Vergabe von weiteren Zuschüssen zumindest an striktere Auflagen zu knüpfen. Doch Antisemitismus scheint für die Berliner Regierung offenbar kein Ausschlusskriterium zu sein. Zumindest die jüdischen und israelfreundlichen Personen, die das Projekt bislang als Alibifiguren begleitet haben, wären gut beraten, genauer hinzuschauen, so es ihnen nicht ausschließlich um Ehrenpöstchen, Wohlfühldialoge und Selbsttäuschung geht. Offenbar kann nur noch massiver öffentlicher Druck ein Einlenken der Verantwortlichen bewirken.
Die politische Verantwortung für die Förderung trägt der Integrationsbeauftragte Günther Piening. Gesamtverantwortung trägt der Berliner Senat und damit der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.
"die jüdische"

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