Wednesday, January 17, 2007

Väter des Jihad: z. B. Erich Rathfelder (taz)


Pendler des Todes Erich Rathfelder, der Mann, der das Massengrab von Orahovac entdeckte. Von Horst Pankow
Beruflicher Erfolg ist heutzutage an die Fähigkeit zu weitgehender Mobilität geknüpft. In Zeiten zunehmender Virtualisierung der Zirkulation von Waren und Geld wird aber der traditionelle Mobilitätsbegriff hinfällig.
Gerade in Bereichen, wo Virtualisierung der Verkehrswege persönliches Unterwegssein mehr und mehr obsolet macht - wie im Journalismus - sind daher Begriffe aus vergangenen Epochen als quasi-identitäre Selbstvergewisserung recht beliebt. Dies mag den Rückgriff auf die in den sechziger und siebziger Jahren verbreitete Erscheinung des Pendlers erklären.
"Erich Rathfelder pendelt zwischen Split, Sarajevo, dem Kosovo und Berlin." (taz) Der Pendler Rathfelder ist ein Händler des Todes. Gewöhnlich wird diese Metapher auf Profiteure des internationalen Waffenhandels angewandt. Bei den von Rathfelder in Umlauf gesetzten Waffen handelt es sich jedoch nicht um Kanonen, Granaten und Schrapnelle, sondern um sogenannte Informationen. Deren Resultate sind in der globalen "Mediengesellschaft" oft nicht weniger durchschlagend und explosiv als die traditionellen Werkzeuge der Waffenhandwerker. Rathfelder ist ein routinierter Vertreter seiner Zunft. Auf dem Balkan sammelt der Pendler virtuelle Leichen, von der taz-Redaktion werden sie in die globalen Nachrichtenkanäle eingespeist. Der Geschäftserfolg stellt sich ein, wenn die Zentren der "internationalen Gemeinschaft", außenpolitisches Interesse, "humanitäre Betroffenheit" und die Lust an der Katastrophe eine Symbiose eingehen. Dann werden Friedenstruppen bewaffnet, Bombengeschwader entladen ihre Last über "serbischen Hochburgen", die dabei anfallenden Toten haben es dann wirklich verdient, sie gehören zur Rendite des virtuellen Händlers des Todes.
Der außenpolitische Durchbruch Deutschlands in den neunziger Jahren gelang durch die abermalige Zerschlagung des jugoslawischen "Vielvölkerstaates". Pendler wie Rathfelder haben ihren Beitrag dazu geleistet. "Das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit Ende des Zweiten Weltkrieges wird", so Rathfelder im Oktober 1992, "tagtäglich fortgesetzt: Vertreibungen, Morde, Vergewaltigungen, andere Folterungen, standrechtliche Erschießungen ..." Täter: die Serben. Sie sind für Rathfelder et al. bis heute die Personifizierung des Bösen schlechthin. Der US-Journalist Peter Brock hat für diese Branche den Begriff "Meutenjournalismus" geprägt.
"Meute" ruft Assoziationen von Konformität hervor und verleitet dazu, die Konkurrenz der Blutgierigen zu mißachten. Doch das Mediengeschäft ist hart, und ein eigenständiger Charakter in der Meute einvernehmlicher Beißfreudigkeit erweist sich als solide Geschäftsgrundlage. Rathfelder ist denn auch nicht nur irgendein "Serbien muß sterbien" heulender Deutscher wie etwa sein Kollege Mathias Rüb von der FAZ, sondern mehr: "Geht man gedanklich bei Mathias Rüb los, so kommt man bei Erich Rathfelder an", stellte kürzlich eine Rezensentin des Tagesspiegel anläßlich der zwischen Buchdeckel gepreßten Serben-Hetze des Pendlers fest. In der Tat, Rathfelder gibt oft genug zu erkennen, daß er es besser wissen könnte und daß er mehr kann.
Zwar verherrlicht er den "bewaffneten Aufstand eines Teils der kosovo-albanischen Bevölkerung unter Führung der UCK" gegen das "serbische Apartheid-Regime" mit völkischer Rhetorik als "Notwehr" - "Auf sich allein gestellt müssen sie jetzt das Leben ihres Volkes schützen" -, obwohl er zuvor das Abschlachten von albanischen "Verrätern" und "Kollaborateuren" durch die UCK seinen Lesern nicht verheimlicht und damit selbst die Mittel zur Problematisierung von "Apartheid" und "Notwehr" geliefert hatte.
Doch will er sich auch nicht bedingungslos zum Fürsprecher der Blut-und-Boden-Separatisten machen: "Was sie (die UCK; H.P.) nach der Befreiung will, weiß sie jedoch nur selbst: ein unabhängiges Kosovo, Großalbanien oder eine Militärdiktatur?" Die letztgültige Entscheidung darüber liegt bei der "internationalen Gemeinschaft": "Der Eingriff muß von außen kommen." Und da hat er als Deutscher gewichtige Zweifel. Wir würden ja schon wollen, doch "nicht nur die russische, auch die französische Regierung blockiert ein Eingreifen der Nato". Und jetzt auch noch die Amerikaner ...
Rathfelder kann aber mehr. Darauf hat er im letzten Jahr bei zwei Gelegenheiten verschmitzt hingewiesen. Im März, als die "internationale Gemeinschaft" von einem wohligen Grausen ob des "Chaos" und der "Anarchie" in Albanien erfüllt war und eilends eine Interventionstruppe mobilisierte, war es Rathfelder, der taz-Leser darauf hinwies, daß der albanische Aufstand an "Traditionen des klassischen Anarchismus" anknüpfte und vom Ziel "beseelt" war, "endlich zu einer echten Demokratie zu gelangen".
Er schlug sogar eine Interpretation der Ereignisse "in der Tradition der Volkserhebungen von 1989" vor (taz, 14. und 15. März 1997). Im Dezember 1997 thematisierte Rathfelder als einziger deutscher Journalist die Repression gegen die serbische Bevölkerung in Sarajevo während der sog. "Belagerung". Rathfelder und niemand anderes brachte die Erschießungen und die Zwangsrekrutierungen serbischer Zivilisten zur Sprache. Erstmals war hierzulande zu lesen, wie Serben von den muslimischen Herren der Stadt als "lebende Schutzschilde" eingesetzt wurden (taz, 3. Dezember 1997).
Ein solches Mehr-Können macht den wahrhaft routinierten - und erfolgreichen - Händler des Todes aus. Die Geschäftsmoral des Waffenhändlers - egal, war mein Produkt zu welchem Zweck verwendet, Hauptsache, er zahlt korrekt - gilt auch für den news-dealer. Gelernt hat Rathfelder dies selbstverständlich bei den Linken. Des heutigen Pendlers erste publizistische Spur findet sich in einer 1976 mit zwei MitautorInnen verfaßten Schrift über die spanische Arbeiterbewegung am Ende der Franco-Ära. Darin werden völlig willkürlich die reformistischen, seinerzeit weitgehend unter poststalinistischem Einfluß stehenden Comisiones Oberas zu Hoffnungsträgern einer rätesozialistischen Entwicklung definiert. Mit der gleichen Methode - dem vorgeblich "analytischen" Hin- und Herschieben von Faktenmaterial und historischen Kenntnissen - hätte das gleiche Ergebnis auch bezüglich jeder anderen Organisation erzielt werden können.
Was Hänschen gelernt, verlernt Hans nimmermehr. Mit der gleichen rabulistischen Methode wie in seiner linken Jugend - wenngleich mit weniger argumentativem Aufwand - biegt Rathfelder heute die ansonsten zur letztinstanzlichen Berufung verklärte "Wirklichkeit" zurecht. In seinem jüngst erschienenen Buch "Sarajevo und danach. Sechs Jahre Reporter im ehemaligen Jugoslawien" präsentiert er beispielsweise die islamisch-fundamentalistischen und antisemitischen Schriften des bosnischen Präsidenten Izetbegovic als "differenzierte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Islams zur Moderne". Mit der von deutschen Linken in den siebziger Jahren kultivierten, gleichsam intuitiv sich vollziehenden deutschen Ressentimentbildung - wer als Feind identifiziert ist, dem ist alles zuzutrauen und anzuhängen - stürzt sich Rathfelder heute auf die Serben. Als Pendler des Todes erfreut er sich dabei des volksgemeinschaftlichen Wohlwollens.
Der Vollzug des Urteils "Serbien muß sterbien" ist vom Kräfteverhältnis innerhalb der "internationalen Gemeinschaft" abhängig. Darin dominiert derzeit die amerikanische Position, von Rathfelder oft als Zuarbeit für den serbischen Feind denunziert. In der taz hat man in den letzten Wochen bereits zweimal den Rathfelderschen Aufrufen zu antiserbischem Mord und Totschlag differenzierende Texte gegenübergestellt. Diese neue Vorgehensweise spiegelt auf kindlich anmutende Weise den in Wahlkampfzeiten öffentlich ausgetragenen Konflikt Rühe (Draufhauen) versus Kinkel (aber nur im Konsens mit unseren Partnern) wider.
In diesem Zusammenhang ist sicher auch das Abwinken eines großen Teils der deutschen Medien angesichts Rathfelders Orahovac-Coup zu bewerten. Ob dies negative Konsequenzen für den Pendler haben wird, ist fraglich.
Wie auch immer die Nachfrage sich gestalten mag, Erich Rathfelder ist vorbereitet.
11. August 1998
Jungle World

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