Wednesday, January 24, 2007

Wir helfen nur im Norden

Das Bündnis gegen deutsche Truppen im Süden Afghanistans ist groß: Es reicht von der Linkspartei über die FDP und die CSU bis hin zum Islamisten Hekmatyar. von josefine eichin
...Die Forderung nach »sauberer Man­datierung« entspringt dem Wunsch, weiterhin zwischen der vermeintlich friedlichen Wiederaufbauhilfe der Deutschen und der Drecksarbeit der Amerikaner, Briten und Kanadier unterscheiden zu können. Faktisch ist das bereits eine Illusion, wie die sich häufenden Anschläge auf die deut­schen Stellungen im Norden zeigen. Dass die Anschläge noch zunehmen könnten, mag für die Bundesregierung ein Grund sein, sich parlamentarische Unterstützung zu holen, man will ja nicht allein für etwaige Tote verantwortlich sein. Für lau gibt es die Abstimmung aber nicht. »Jeder, der ein neues Mandat haben will, muss wissen, dass damit auch eine Ausweitung verbunden ist«, kündigte Andreas Schockenhof an, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union.
Das bisher erlaubte Kontingent von 3 000 Mann ist nämlich so gut wie ausgeschöpft. Die sechs Tornados aber bringen einen weiteren Bedarf an Personal von mindestens 250 Mann mit sich. Anstatt an anderen Stellen die Truppenstärke zu verringern, könnte ein neues Mandat die Gesamtstärke erhöhen. Am Ende könnten sich die heutigen Kritiker noch ärgern, eine Abstimmung verlangt zu haben.
Die bisherigen Debatten, die Uneinigkeit in der Koalition und nicht zuletzt die un­übersehbare Zurückhaltung der Regierung deuten jedenfalls darauf hin, dass es mit der »Bündnissolidarität« nicht so weit her ist. Die SPD rechnet mit mindestens 30 Abweichlern in ihren Reihen. Die FDP hat bereits gezeigt, dass sie gegen Bundeswehrein­sätze stimmt, wenn es zu ihrem neuen Image passt. Heftige Widerworte kommen aus der CSU. Ihr Landesgruppenchef, Peter Ram­sauer, meinte schon vor Wochen, die Frage der Tornados sei »für uns überhaupt kein Thema«, und fügte hinzu: »Wo kommen wir da hin, wenn ein x-beliebiger Nato-General irgendeinen Brief losschickt und dies die ganze deutsche Politik in Aufruhr versetzen soll?«
Sein Parteifreund Peter Gauweiler be­rief sich gar auf den Warlord Gulbuddin Hekmatyar, der in der vorigen Woche im Interview mit dem Stern die Bundes­regierung aufforderte: »Ziehen Sie Ihre Soldaten aus Afghanistan ab!« Der ehemalige Mujahid, der für einen islamischen Staat in Afghanistan kämpft, sagte, er habe von der Bundeskanzlerin er­wartet, »dass sie deutsche Söhne nicht für amerikanische Interessen opfert«. Er verwies auch darauf, dass sich die Afghanen im Zweiten Weltkrieg freund­lich gegenüber den Deutschen verhalten hätten. »Ist das jetzt die Antwort, die die deutsche Regierung den Afghanen gibt?« Gauweiler hält wie die Links­partei den geplanten Einsatz für verfassungswidrig.
Am Ende werden mit den Tornados gleich zwei Probleme auf einmal gelöst. Truppenintern sind die Flugzeuge bereits im August vorigen Jahres angefordert worden, und zwar für die eigenen Verbände. Die Welt zitiert ein internes Papier des Verteidigungsministeriums, demzufolge das »latente Eskalationspotenzial auch in Teilen der Nordregion« den Einsatz der Tornados »nunmehr zweckmäßig erscheinen« ließe.
Mit einem Mandat, das es erlaubt, Flugzeuge im Süden einzusetzen, kann sich die Bundesregierung zugleich den beharrlichen Forderungen der Nato-Partner, sich stärker an der immer ver­lustreicheren Aufstandsbekämpfung zu beteiligen, entziehen. Dafür wird es im Bundestag eine große Mehrheit geben. Von Bodentruppen für den Süden Afghanistans ist ja keine Rede.
jungle world

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