Monday, February 25, 2013

Kommentar: Israelkritik

Vielleicht hat es das Vermögen zum „Wort des Jahres“ oder zum „Unwort“ des Jahres 2013: Israelkritik. Ein Begriff macht die Runde. Noch mehr: Er zieht sich durch die deutschen Medien und macht Meinung. Israelkritik ist oft Israelfeindlichkeit im intellektuellen Gewand.

Wer hat hierzulande etwas von Kolumbienkritik vernommen? Seit 1948 toben im Andenland bewaffnete Konflikte, Vertreibungen der Indianer, Massenmorde durch paramilitärische Banden, Kriege der Drogenkartelle und Geiselnahmen durch linksgerichtete Rebellen. Chinakritik? Fehlanzeige. In den vergangenen zwei Jahren haben sich etwa hundert Tibeter im Protest gegen China öffentlich verbrannt. Gewiss, wer die Zeitungen bis zur letzten Seite durchblättert, wird hinten in den Kurzmeldungen dazu etwas finden. Wer bis kurz vor Mitternacht vor dem Fernseher ausharrt, kann mit einer kleinen Zuschauerrunde einen TV-Bericht verfolgen. Das war‘s.
Wer spricht gegen Israel?
Israelkritik dagegen geht immer, und in letzter Zeit immer heftiger und immer offener. Nun liegt uns der Nahe Osten näher als das ferne Kolumbien. Und Israel lebt in dramatischen Zeiten und mitten im Orient der Umbrüche. Das bringt eine hohe Nachrichtendichte. Themen liegen in der Luft und auf den Tischen der Agenturen: Regierungsbildung in Israel. Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen. Raketenalarm in Tel Aviv und Jerusalem. Was wird aus Ägypten? Der Iran und die Atombombe. Direkt an Israels Grenze brennt Syrien. Wo wird das enden? Wie weit werden die Funken fliegen? Was wird dann alles brennen? Und: Was wird aus Israel?
Doch gefährlicher für Israel als die Raketen aus Gaza sind die Pfeile der Israelkritik gegen den jüdischen Staat. Im Westen wächst die Israelfeindlichkeit. Europas Bürger sehen in Israel eine der größten Gefahren für den Weltfrieden. War es im vergangenen Jahr der Schriftsteller Günter Grass, so ist es am Anfang des neuen Jahres der Journalist Jakob Augstein. Umstritten, ob einige seiner Aussagen in die Liste der zehn verwerflichsten Antisemitismen gehören, die das Simon-Wiesenthal-Institut jährlich benennt.
Der Filmproduzent Artur Brauner, 1918 in Polen geboren und durch rechtzeitige Flucht ein Holocaust-Überlebender, schreibt in einem Leserbrief über Augstein: „Aus ihm spricht unbegrenzte Herzlosigkeit. Ja, er ist eindeutig antisemitisch eingestellt. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ich mit diesen Zeilen eine ganz wichtige Klage gegen ihn richte, aber ich glaube, dass ich das Recht habe, zu polemisieren, zu definieren, um die Wahrheit zu zementieren. Augstein erreicht durch seine Hetze gegen Israel Millionen Deutsche, die eine ähnliche Gesinnung zeigen.“
Ziemlich offen wird eine Delegitimierung des Staates Israel betrieben. Dabei kommt die Entrechtung Israels nicht aus dem Mund einfältiger Extremisten. Es sind Europas Intellektuelle, eigentlich kluge Köpfe, die es so formulieren: „Wir glauben nicht an die Idee eines von Gott auserwählten Volkes. Wir lachen über die Hirngespinste dieses Volkes und weinen über seine Untaten. Als Gottes auserwähltes Volk zu handeln ist nicht nur dumm und arrogant, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir nennen es Rassismus.“ Das schrieb bereits vor Jahren Jostein Gaarder, der renommierte Autor von „Sofies Welt“.
Für manche ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kirche in diese Richtung tönt. Waren es nicht katholische Bischöfe, die während ihrer Nahost-Reise das Warschauer Ghetto mit dem „Ghetto in Ramallah“ verglichen? Waren es nicht Aufsätze im protestantischen „Deutschen Pfarrerblatt“, wo versucht wurde, Israel auch theologisch den Boden zu entziehen? Ein aktuelles Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Titel „Gelobtes Land?“ hinterlässt mehr Fragezeichen, als dass es Antworten gibt.
Wer spricht für Israel?
Beängstigend ist der heimliche Beifall. Geradezu gefährlich ist die Gleichgültigkeit der Vielen, die damit diesen Stimmen Recht geben. Nicht nur Israelfreunde, sondern Freunde der Demokratie und des Rechtes sind aufgefordert, für Israel einzustehen. Niemand muss alle Aktionen israelischer Politik oder Polizei gut finden. Keiner braucht alles in Israel verklärend zu bewundern. Die größten Kritiker Israels sind die Israelis selber. Ganz zu schweigen von der Israelkritik in der Bibel. Nicht die Kritik ist das Problem, sondern die in Kritik gekleidete Feindschaft gegen Land, Volk und Staat Israel. Vorzeiten hieß es „Kauft nicht bei Juden!“. Was müssen Juden denken, wenn heute gefordert wird: „Boykott israelischer Waren aus besetzten Gebieten“?
Das Grundgesetz kennt das hohe Gut der Meinungsfreiheit. Deutschland braucht keine Rede-Verbote, keine Gesetze gegen Lügen. Jeder darf Unsinn äußern, auch über Juden und den Staat Israel. Das ist nicht das Problem. Das Problem sind die schweigenden Liebhaber der Wahrheit. „Spiegel“-Autor Matthias Matussek bekennt: „Die Mehrheit im Lande ist israelkritischer geworden, ich habe mich in die Gegenrichtung aufgemacht. Ich finde, ich habe die besseren Gründe. Denn in den letzten zehn Jahren ist einiges passiert. Israel ist bedroht wie nie zuvor. Der Frühling der arabischen Revolution verdüstert sich zu einem islamistisch getränkten Territorial-Gürtel. Irans Ahmadinedschad baut an der Atombombe mit dem erklärten Ziel, Israel von der Landkarte zu wischen. Schon ein Blick auf die Landkarte genügt, um festzustellen, dass Israel gut daran tut, sich bis an die Zähne zu bewaffnen.“
Die kräftige Kritik an den linksintellektuellen Israelkritikern ist das Gebot der Stunde. Das Eintreten für die heute lebenden Juden ist der Prüfstein für die gegenwärtige Generation.

Egmond Prill via israelnetz

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