Monday, July 29, 2013

Vorzeitige Haftentlassung: Terror auf Freiersfüßen

Von Gerrit Liskow
Irgendwie könnte ich es verstehen, wenn die Regierung in Jerusalem versuchen würde, sich möglichst selten von ihren amerikanischen Freunden besuchen zu lassen. Denn kaum zwei Wochen sind vergangen, seit der John aus Washington an seinen Arbeitsplatz in Foggy Bottom zurückgekehrt ist, und schon fallen in Israel die Späne. In Form von 104  Mördern und, äh: noch mehr Mördern, die einst allen internationalen juristischen Standards entsprechend überführt und verurteilt wurden. Es scheint, als wurde gehobelt bei Mr. Kerrys Besuch in Jerusalem und die Intensität, mit der dieser Eindruck verschwiegen wird, macht die Annahme fast zur Gewissheit.
Wo gehobelt wird, fallen Späne, und gehobelt hat Mr. Obamas Erfüllungsgehilfe, Außenminister Kerry, anscheinend an allen Ecken und Kanten des jüdischen Staates zugleich. Wer solche „Freunde“ hat, braucht keine Feinde. Denn Mr. Kerry war bei seinem Besuch in Israel und den besetzten Gebieten ganz öffentlich der Meinung, dass man sich bloß auf die Waffenstillstandslinien des Jahres 1967 zurückzuziehen bräuchte, und schon bräche auf der West Bank der sogenannte Frieden aus: Der Löwe schliefe neben der, ähm: Giftschlange, aus allen Wasserhähnen flösse Coca Cola – und keiner würde sich wundern, warum Mr. Kerry auf so blöde Gedanken kommt.
Nun, er kommt. Die grobe Kerry-Richtung deckt sich zudem mit einer EU-Politik, die erst diese Woche, anlässlich der Herkunftsbezeichnung auf Produkten aller Art, festgehalten hat, wo israelische Staatsbürger wohnen dürfen, und wo nicht – vor allem nicht in Judäa und Samaria. Da hat sich Naftali Bennett, der inoffizielle König von Shomron, in seiner Funktion als Chef des Handelsministeriums eine blutige Nase geholt, und es wurde wohl so manche Krokodilsträne vergossen im Kabinett. Man möchte aber auch in Washington und in einigen maßgeblichen „europäischen“ Hauptstädten nicht viel verstehen von der Dynamik eines langsamen Abnutzungskrieges, für den die Stellvertreter des pan-arabischen Antizionismus, a.k.a. „Palästinenser“, sich 1967 anheuern ließen.
Jede Verbesserung der Lage darf nach „westlicher“ Meinung erst geschehen, wenn der Frieden ausbricht, und wann das ist, bestimmen nach dieser selbstgefälligen Lesart anscheinend nicht die Betroffenen selbst, auch wenn die UN das mal ganz anders beschlossen haben. Sonst könnte man im sogenannten Westen nicht weiterhin mit gutem Gewissen etliche hundert Millionen Euro-Rubel in einer „Autonomiebehörde“ versenken, die damit machen kann, was sie will, ohne das es den leutselig beschworenen „Menschen vor Ort“ viel nützt. Nur werden eben diese Bewohner der West Bank sich jetzt wohl aus dem sicheren Gefühl der EU-moralischen Überlegenheit eine Pita backen müssen, denn einige von ihnen werden nach diesem haarsträubenden EU-Beschluss bald keinen Lebensunterhalt mehr in den sogenannten Siedlungen finden. Dass Einkommen aus Arbeitsplätzen entsteht, ist der EU entweder unbekannt, oder egal, und vielleicht will man es in Brüssel sogar so, dass nun viele Palis ihren Job verlieren. Wäre ja auch noch schöner, wenn diese EU-politischen Poker-Chips sich auf einmal unabhängig machen und ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen.
Das Ausnutzen ökonomischer Missstände, die man selbst geschaffen hat, ist eine klassische Strategie der „Linken“; also jenes Wahn- und Wohlfühlkollektivs, dessen antizionistischer, israel-kritischer Fraktion die Juden zu politisch sind und dessen „besserer“, beschneidungs-kritischen Hälfte die Israeliten zu religiös. Man hat es manchmal schwer, den wieder gutgewordenen Deutschinnen und Deutschen alles recht zu machen. Apropos: Keine von beiden Fraktionen der „Linken“, der Speerspitze des unheilbar gesunden Volksempfindens, ist irgendwie antisemitisch. Nein, ganz im Gegenteil – das "wissen" auch Günther Grass und Jakob Augstein, und die verstehen schließlich was vom Antisemitismus.
Doch zurück zu Herrn Netanyahu und seinen Freunden. Auch er hat nicht genug von ihnen, denn dieser Tage steht der Kabinettsbeschluss über die vorzeitige Haftentlassung von 104 Mördern und, äh: noch mehr Mördern an, denn das ist erst die erste Tranche einer langen Wurst. Die Tischvorlage hat wohl Mr. Kerry hinterlassen, als Maßnahme zur Verbesserung des „politischen“ Klimas. Sie werden nicht etwa entlassen, weil sie sich zu besseren Menschen gewandelt hätten oder ihre Haftzeit abgelaufen wäre. Nein: Sie werden entlassen, weil es sich bei ihnen um sogenannte Palästinenser handelt. Nun werden sich einige an Golda Meir erinnern und ihre unsterbliche Idee, dass es die Palästinenser gar nicht gibt. Um eine abschließende Klärung dieser Frage kann es an dieser Stelle nicht gehen, denn zu „politischen“ Zwecken gibt es die Palästinenser durchaus, und andere Zwecke sollten sie niemals erfüllen.
Was der Zweck des Friedens-Prozesses aus palästinensischer Sicht sein soll, ist relativ klar. Was er aus amerikanischer Sicht sein soll, ist relativ unklar. Und die israelische Sicht ist anscheinend relativ egal. Aber es geht doch um Frieden – in Israel? Ja richtig, man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: In Syrien wird auf einem Berg aus Kadavern regiert, genauso im Iran. Ägypten steht am Abgrund und Tunesien auch, in Libyen wurde das Personal der US-Botschaft massakriert – und die Regierung von Mr. Obama macht sich Sorgen um den Frieden in Israel und will die Beziehungen zwischen Jerusalem und Ramallah verbessern. Versucht Washington, statt den Problemen, die man sowieso nicht lösen kann, nun also jene Probleme zu lösen, die man noch viel weniger lösen kann? Wegen der politischen Eitelkeiten im Weißen Haus und den Illusionen einiger altgedienter Obama-Wähler?
Team Terror freut sich derweil auf die Rückkehr seiner größten Talente. Die Mannschaft freut sich, das Management freut sich, und die Fans im In- und Ausland freuen sich selbstverständlich auch (There’ll always be an Inge!). Auf den Bildern sieht man haufenweise fröhliche palästinensische Herren im besten Alter, die nach zehn bis dreißig Jahren nachhause dürfen, zu Mutti und Vati (bald ist Olivenernte). So sehen Sieger aus, kann ich nur sagen. Und sie sehen nicht nur so aus, sondern sie fühlen sich auch so. Und wenn die Mannschaft von Team Terror demnächst einen Job in einer „Siedlung“ bekommt (nicht, dass sie den nötig hätten, sie werden üppig von der EU alimentiert), macht die Brüsseler Beamtendiktatur vielleicht eine Ausnahme und erlaubt den Vertrieb solcher Produkte in der EU? Ob der John aus Washington nun mehr Fanpost aus Ramallah bekommt? Wann will er seine nächste „Befreit die Gefangenen!“-Aktion auf der West Bank starten? Nur, dass man das Kabinett schon mal in Urlaub schicken kann, bis Mr. Kerry wieder abgereist ist.
Sie sehen, verehrte Leserinnen und Leser, der anstehende Beschluss über die vorzeitige Haftentlassung wirft Fragen über Fragen auf, und schafft mehr Probleme, als er jemals lösen wird. Nicht zuletzt, ob es gerecht sein kann, wenn rechtskräftig verurteilte Häftlinge als Poker-Chips in einer politischen Charade verwendet werden, die eventuell mehr schadet als nützt. Justiz versteht sich in einer funktionierenden Demokratie als eine Instanz, die unabhängig von der Exekutive funktioniert. Die Vorstellung des souveränen Gnadenerlasses mag auf manche Menschen recht romantisch wirken, aber mit einer offenkundig „politischen“ Entscheidung in rational begründete juristische Fallentscheidungen einzugreifen, gehört sich eigentlich nicht. Einer Diktatur mag sowas gut zu Gesicht stehen, aber ein Rechtsstaat begibt sich damit auf einen fragwürdigen Weg.
Das ist ein Gedanke, mit dem sich selbstverständlich auch das Amerika des Zimmermann-Prozesses schwer tut. Insbesondere angesichts einer US-Exekutive, die offensichtlich denkt, sie könnte sich bei den juristischen Instanzen politische Gefälligkeitsentscheidungen bestellen. Nun ja, wäre Mr. Obama ein Land, dann wäre er „Palästina“, und die 104 vorzeitig Entlassenen sollen auch nur die erste Scheibe einer langen Salami sein, und damit schließt sich dieser Kreis.
haolam

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