Friday, March 14, 2014

Warum die NRW-CDU manches neue Mitglied nicht will

Öffnen, ganz weit öffnen müsse sich die CDU für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere für Muslime. Um als moderne Großstadtpartei zu punkten. Und um den Kontakt zu einer wachsenden Bevölkerungsgruppe zu halten. Mit dieser Botschaft zieht Armin Laschet seit bald einem Jahrzehnt wie ein integrationspolitischer Wanderprediger durch die NRW-CDU. Längst hat der heutige CDU-Landesvorsitzende und frühere Integrationsminister auch Erfolge vorzuweisen. In Bund, Land und Kommunen werden weit mehr CDU-Posten von Zugewanderten und deren Nachfahren besetzt als je zuvor. Doch plötzlich stellt sich in der NRW-CDU eine andere Frage: Hat die Partei es übertrieben? Muss man auch die Grenzen der Offenheit stärker betonen – etwa für vom Verfassungsschutz beobachtete türkische Ultranationalisten? Für muslimische Verbandsvertreter, die Kontakte zu religiösen Extremisten pflegen? Oder für Muslime, die in Organisationen des türkischen Staates aktiv sind? Türken in Deutschland sollten nicht nur türkische Autoren kennen, „sondern auch Hegel, Kant und Goethe verstehen. (...) Wir wollen, dass die Türken in Deutschland fließend Deutsch sprechen. In diesem Sinne müssen sie Doppelsprachler sein und sich mehr und mehr am Leben beteiligen. (...) Sie sollen sich hier nicht als Gäste sehen, sie sollen sich als dazugehörig sehen.“ Erdogan am 30. Oktober 2012 bei der Eröffnung der neuen türkischen Botschaft in Berlin. Weil die Parteispitze sich um diese Fragen bislang gedrückt hat, ringen nun zunehmend Christdemokraten an der Basis um Antworten. Vor allem in der Düsseldorfer CDU arbeiten mehrere Parteigruppierungen daran, die Grenzen der Offenheit zu bestimmen. Sie wollen zunächst durchsetzen, dass Mitglieder und Anhänger des türkischen Ultranationalismus künftig kein Plätzchen mehr in der Union finden. Wie diese Zeitung erfuhr, werden Düsseldorfs Christdemokraten auf dem Landesparteitag im April einen Unvereinbarkeitsbeschluss beantragen. Demnach soll die Mitgliedschaft oder das Bekenntnis zu einer Gruppierung der sogenannten Grauen Wölfe, also der türkischen Rechtsradikalen, eine CDU-Mitgliedschaft ausschließen. Von solchen bekennenden Freunden türkischer Extremisten, die sich in sogenannten "Idealistenvereinen" organisieren, gibt es in der NRW-CDU so einige – was nicht an der Parteispitze, wohl aber an der Basis allmählich Unmut erregt. In der CDU Hamm etwa bekennt sich ein türkeistämmiger Mann freimütig zu seiner Verbundenheit mit der "Ülkücü"-Bewegung (Türkisch für Idealisten). Ihm zufolge irrten sich sämtliche Ämter für Verfassungsschutz und die gesamte deutsche Politik. Die "Idealisten" seien nur konservativ, nicht radikal. Es gebe gar keine türkischen, sondern nur deutsche Rechtsextremisten. Seit er das auch öffentlich kundtut, fühlen sich so einige Hammer Christdemokraten in ihrer Partei nicht mehr ganz wohl. "Idealisten" gibt es aber auch anderswo. So arbeitet in der CDU Bochums ein Türkeistämmiger mit, der gerne bei den Idealistenvereinen das Fastenbrechen feiert und offen bekennt, er besuche gerne Veranstaltungen der Grauen Wölfe und ihrer politischen Führer. Seit Kurzem kursiert in der Partei auch eine Karikatur, die der Mann im Internet verbreitete und zustimmend kommentierte. Darauf zu sehen sind ein christlicher Bischof, ein bewaffneter Kurde und ein Uncle Sam. Sie sitzen an einem Gerichtstisch, den ein großer Davidsstern ziert. Zu ihren Füßen steht der Angeklagte: ein mit Messer und Axt durchbohrter Türke, der wacker seine Türkeifahne hochhält. Die Botschaft: Die Türkei ist Opfer einer jüdisch-christlich-US-amerikanisch-kurdischen Allianz. Das passt hervorragend zu den Feindbildern der Grauen Wölfe. Als zu bekämpfende Feinde des Türkentums betrachten sie laut NRW-Innenministerium vor allem Amerikaner, Juden, Kurden, Aleviten, Armenier und ganz allgemein Christen. Auch in der CDU Duisburgs gab es Ende 2013 Ärger, weil zwei mutmaßliche Gefolgsleute der Ülkücü-Bewegung als Kandidaten für die Kommunalwahl auf die Reserveliste kamen. Auch auf Nachfragen kritischer Christdemokraten mochten sich die beiden von der Idealistenbewegung nicht distanzieren. Inzwischen haben Parteimitglieder Fotos der beiden aufgetrieben, die eine erhebliche Nähe zu den Rechtsextremisten nahelegen. So feierten die beiden Türkeistämmigen am Abend der Integrationsratswahlen 2010 ihre Wahl in einem Vereinshaus der örtlichen Idealisten. Auf den Bildern sieht man sie eingerahmt von Flyern, Fahnen und Bildern der Grauen Wölfe. Einer der beiden wurde auch abgelichtet, als er im Kreise der Idealisten seinem Publikum flammende Reden hielt. Und der andere mutmaßliche Wolfsfreund wurde offenbar fotografiert, als er an der Totenmesse für Alparslan Türkes, den verstorbenen Kopf der türkischen Rechtsextremisten, in der Duisburger Merkez-Moschee teilnahm (alle Namen, Belege und Fotos liegen dieser Zeitung vor). Und diese Vorwürfe wiegen schwer. Denn laut NRW-Innenministerium belassen es die landesweit rund 2000 Idealisten nicht "bei der bloßen Diffamierung. Vielmehr wird in volksverhetzender Weise zu Körperverletzung, Mord und sogar Lynchjustiz" gegen ihre angeblichen Feinde aufgerufen. Ihre Hetze sei "dazu geeignet, bei Jugendlichen zu einer Radikalisierung und Gewaltaffinität beizutragen. Jugendliche, die diese Inhalte in die örtlichen Jugendszenen oder auch in die Schulen hineintragen, sind emotionalisiert und bringen erhebliches Konfliktpotenzial in ihre Umgebung", so die Verfassungsschützer.
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