Sunday, August 30, 2015

Schwedens populistische Welle

 Schwedens populistische Welle
von Prof. Dr. Daniel Pipes,  The Washington Times

Nach Angaben der jüngsten Meinungsumfrage haben die harmlos benannten, aber heftig gegen das Establishment gerichteten Schweden-Demokraten (Sverigedemokraterna oder SD) die größte Unterstützung aller politischen Parteien in Schweden. Diese Nachricht hat möglicherweise bedeutende Folgen, nicht nur für Schweden, sondern für ganz Europa.
Schweden ist ein besonderer Ort. Als eines der reichsten und friedlichsten Länder auf der Welt (es war seit zwei Jahrhunderten in keinen bewaffneten Konflikt mehr verwickelt) war es bis vor kurzem eine bemerkenswert homogene Gesellschaft, in der Sozialismus mit seiner optimistischen Annahme funktionierte, dass die Menschen gut geboren sind und die Umstände sie schlecht machen; auch erfreute sich die Regierung eines hohen Ansehens. Der Stolz der Schweden auf die Leistungen des Landes überträgt sich in eine ethische Überlegenheit, die von der oft gehörten Behauptung symbolisiert wird eine "moralische Supermacht" zu sein.
Sein Erbe hat allerdings auch eine Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen inspiriert; "sei still, folge dem Konsens, lass es die Bürokraten machen." Für seine erdrückende, künstliche Einmütigkeit ist das Land derart berüchtigt geworden, dass ich tatsächlich vor kurzem in einem öffentlichen Forum einen Dänen fragen hörte: "Warum ist Schweden zum Nordkorea Skandinaviens geworden?"
Schwedens Geschichte schafft zudem eine Nichtkrisen-Mentalität, die gegen die nüchternen, flexiblen Reaktionen steht, die nötig sind, um mit den derzeitigen Problemen umzugehen, denen sich das Land gegenüber sieht, besonders denen in Verbindung mit Wellen hauptsächlich muslimischer Immigranten. Anfang des Jahres formulierte ein Gesprächspartner in Schweden es mir gegenüber so: "Der Erfolg der Vergangenheit hat zum aktuellen Versagen geführt." Zum Beispiel befindet sich die Sicherheit in Schweden unterhalb dessen, was man in einem Land wie Bolivien vorfindet, mit wenig Tendenz zu Verbesserungen, was islamistische Gewalt so gut wie unausweichlich macht.
Aus dieser Unzurechnungsfähigkeitserklärung stechen die SD heraus, denn sie bieten die einzige politische Alternative. Der Beweis dafür kam im Dezember 2014, als die SD das Zünglein an der Waage bei einer entscheidenden Haushalts-Abstimmung zwischen dem linken und dem rechten Block im Riksdag, parlamentarischen Einkammersystem des Landes zu sein schienen - bis die sieben anderen Parteien sich in einer großen Koalition zusammentaten, um ihnen jeglichen Einfluss zu verweigern.
Wie diese Verzweiflungstat nahelegt, bieten die Schweden-Demokraten einen populistischen - aber nicht, wie es oft beschrieben wird, "rechtsextremen" - Polit-Mix, der für alle Altparteien Anathema sind: An erster Stelle fordern sie legale Einwanderer zu assimilieren, die Illegalen auszuweisen und die Rate der zukünftigen Einwanderer um mindestens 90 Prozent zu senken. Sie fördern zudem eine Reihe Grundsätze (zu Verbrechen, Verteidigung, der Europäischen Union und Israel), die weit außerhalb des schwedischen Konsens liegen und für die anderen Parteien absolut anstößig sind.
Aus gutem Grund hasst und fürchtet das Establishment die SD und bekrittelt die Partei auf jede mögliche pedantische Weise, angefangen mit ihrer angeblichen neofaschistischen Vergangenheit (obwohl Beziehungen zum Faschismus kein Privileg der SD sind) bis zur winzigsten Schwäche ihrer Führung.
Die SD zu unterstützen bleibt ein Tabu. Der Chef der nationalen Polizei twitterte einmal davon "sich zu erbrechen", wenn er den Parteichef der SD sieht; natürlich wagen es seine Mitarbeiter nicht Unterstützung der Partei zuzugeben. Aber ein Beamter schätzte mir gegenüber, dass 50 Prozent der Polizei für die SD stimmt.
Trotz ihrer Ächtung haben die SD zunehmend Verbindung zu den Schweden (einschließlich einiger Immigranten), was ihr beträchtliche Wahlerfolge verschafft; ihre parlamentarische Stärke hat sich alle vier Jahre in etwa verdoppelt: von 0,4 Prozent 1998 auf 1,3 Prozent 2002, 2,9 Prozent 2006, 5,7 Prozent 2010 und 12,9 Prozent im September 2014. Und heute, weniger als ein Jahr später, zeigt eine Umfrage von YouGov, dass sie ihren Anteil auf 25,2 Prozent fast verdoppelt hat, was bedeutet, dass sie vor den regierenden Sozialdemokraten (die nur 23,4 Prozent Unterstützung erhielten) und der großen (nominell) rechten Partei der Moderaten (mit 21 Prozent) liegen.
Nicht weniger wichtig hat sich, wie ich in Schweden erfuhr, das intellektuelle und politische Klima verschoben. Journalisten, politische Fachleute und Politiker stellten allesamt fest, dass Ideen, die vor gerade mal einem Jahr außerhalb des Mainstreams lagen, heute gehört werden. Zum Beispiel haben vier große Zeitungen den Konsens für eine hohe Einwanderungsrate infrage gestellt. Neben dem steilen Anstieg der Stimmen für die SD ist diese Verschiebung das Ergebnis mehrerer Faktoren: der schockierende Aufstieg des Islamischen Staats im Irak und Syrien (ISIS), der die Debatte veränderte; fortgesetzte Verärgerung wegen des Übereinkommens vom Dezember, das die SD von parlamentarischem Einfluss ausschloss; und die schwindende Erinnerung an den mörderischen Amoklauf des Anders Behring Breivik in Norwegen 2011.
Insgesamt scheint es so zu sein, dass Verweigerung und Zensur nur eine gewisse Zeit weitergehen können, bis der Selbsterhaltungsinstinkt einsetzt. Das am stärksten für nationalen Selbstmord anfällige westliche Land wacht möglicherweise aus seiner Benommenheit auf. Sollte diese Veränderung in Schweden, dem "Nordkorea Skandinaviens", stattfinden, kann und wird sie wahrscheinlich auch andernorts in Europa eintreten.
 haolam

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