Thursday, October 22, 2015

Politikwissenschaftler: Pegida wird weiter Zulauf haben

Die Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) wird weiterhin Zulauf haben. Davon geht der Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt (Dresden) aus. Wie er auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte, hat die Politik es versäumt, die Sorgen dieser Bürger ernst zu nehmen und darauf einzugehen. Dabei gehe es nicht darum, sich mit Pegida-Organisator Lutz Bachmann an einen Tisch zu setzen oder mit jedem einzelnen Sympathisanten zu sprechen, so Patzelt: „Aber unsere Politiker müssen offen und ehrlich über das reden, worüber bei Pegida gesprochen wird – nämlich über den Wandel Deutschlands zu einer Einwanderungsgesellschaft, über den Kulturwandel, der damit einhergeht, und über die Verteilungsängste vieler Menschen.“ Indem sie das versäumt hätten, sei es ihnen gelungen, „aus Besorgten Empörte zu machen und aus Empörten teils Gegner unseres politischen Systems“. In der Politik war der Ton gegenüber der Pegida-Bewegung zuletzt schärfer geworden. So bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Pegida-Organisatoren als „harte Rechtsextremisten“. Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht Neonazis am Werk. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einer „in Teilen offen rechtsradikalen Empörungsbewegung“, die „zum Reservoir rassistischer Fremdenfeindlichkeit geworden“ sei. Zum ersten Jahrestag der Bewegung hatten sich am 19. Oktober in Dresden 20.000 Anhänger versammelt. Für einen Eklat sorgte dabei der deutsch-türkische Autor Akif Pirincci. Er erklärte, es gäbe natürlich andere Alternativen mit Deutschen umzugehen, die mit der aktuellen Integrationspolitik nicht einverstanden seien: „Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Wegen dieses Satzes ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Volksverhetzung. Wie Patzelt idea sagte, dürfen für diese „unsäglichen Äußerungen“ aber nicht sämtliche Pegida-Sympathisanten in Sippenhaft genommen werden: „Nicht die Demonstranten haben das gesagt, sondern Herr Pirincci.“ Gegen Ende von dessen Rede hätten viele Anwesende „Aufhören, aufhören“ oder „Keine Hetze“ skandiert. Patzelt: „Diese Aussagen eines einzelnen mit dem Pegida-Bündnis in eins setzen zu wollen, wäre so, als behauptete jemand, die RAF habe exemplarisch für die gesamte 68er-Studentenbewegung gestanden.“ Kritik übt der Politikwissenschaftler auch an den deutschen Medien. Sie berichteten in diesem Zusammenhang nicht objektiv, verdrehten manchmal sogar Tatsachen. So sei nach der jüngsten Versammlung gemeldet worden, die Polizei habe einen Mob radikalisierter Pegida-Anhänger nur schwer in Schach halten können: „Tatsächlich war es umgekehrt: Gegendemonstranten hatten die Pegida-Demonstranten eingekesselt, und die Polizei musste diesen mühsam Abmarschwege öffnen und freihalten.“ Auch trennten viele Journalisten nicht zwischen Nachricht und Kommentar, was es Außenstehenden erschwere, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ausländische Medien berichteten deutlich nüchterner, so Patzelt. In den Kirchen sieht Patzelt aus verschiedenen Gründen keine Brückenbauer. Zum einen seien die meisten Pegida-Anhänger nicht religiös, fürchteten vielmehr einen zu starken religiösen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben: „Warum sollten sie dann gerade mit den Kirchen ins Gespräch kommen?“ Zum anderen hätten sich die Kirchen beizeiten sehr einseitig positioniert, was sie in Teilen der Pegida-Anhängerschaft, etwa aus dem Erzgebirge, Vertrauen gekostet habe.
 idea.de

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