Thursday, September 22, 2016

Nachlese zur Berlin-Wahl: Zwischen Ratlosigkeit und "Kommunikationsproblemen"

Nachdem das amtliche Endergebnis der Berlin-Wahl vorlag, dauerte es keine halbe Stunde, und das politische Establishment hatte den Fall gelöst: „Unseren“ Wählerinnen und Wählern wurde „Angst gemacht“, sie wurden „von Demagogen in die Irre getrieben“ und man hat sie „politisch ausgenutzt“. Kurz gesagt: Es war alles nur ein Missverständnis, nur ein Kommunikationsproblem. Bestimmt war bei der Vermittlung „unserer“ Inhalte an „unsere“ Wähler irgendwas in der Übersetzung verloren gegangen – nur was?


von Ramiro Fulano


Der Reim, den sich Team Schwarz-Rot-Grün auf das Berliner Wahlergebnis macht, ist nur zur Hälfte richtig und deshalb ganz verkehrt. Aber er ist nicht bemerkenswert, weil er falsch ist, sondern weil die offizielle Moral von der Geschicht‘ vor allem eines ist: politisch zu bequem und individuell zu komfortabel. Wer den sich verfestigenden Trend zum sogenannten Rechtpopulismus auch nach der fünften Landtagswahl innerhalb eines knappen halben Jahres noch immer für ein Missverständnis hält, macht es nicht nur sich selbst zu leicht, sondern er unterstellt den Wählerinnen und Wählern zudem, dass sie irgendwas nicht richtig verstanden hätten. Vielleicht, weil sie zu dumm sind? Weil sie nicht wissen, was sie tun? Sonst wäre dieses „Missverständnis“, dieses Kommunikationsproblem, dass sich nun als AFD geriert, doch gar nicht erst entstanden. Nicht wahr, lieber medialer und politischer Staatsapparat?

Tatsächlich drängt sich angesichts dieser Wahlergebnisse der Verdacht auf, dass die Wählerinnen und Wähler nicht nur daran interessiert sind, dass man „ihnen zuhört“, „mit ihnen spricht“, auf ihre „Sorgen und Nöte eingeht“ oder „ihre Ängste ernstnimmt“, sondern dass man zudem endlich Lösungen findet, die nicht darauf basieren, den letzten verbliebenen Steuerzahlern immer tiefer in die Tasche zu fassen. Dem ganzen Reigen dieser überheblichen Polit-Floskeln steht die Heuchelei ins Gesicht geschrieben und selbst wenn Menschen es nicht direkt in Worte kleiden können, fällt den meisten auf, dass sie auf diese billige und selbstgefällige Art hinters Licht geführt werden. Genau das versucht man, wenn man das Erstarken der politischen Opposition zweckdienlich auf ein Kommunikationsproblem reduzieren möchte – weil das die einzige Ebene ist, auf der die offizielle Politik noch funktioniert.

In diesem Zusammenhang muss man die Damen und Herren von Team Schwarz-Rot-Grün dann allerdings darauf aufmerksam machen, dass von psychologischen Diagnosen und therapeutischen Eingriffen bereits eine ganze Branche lebt. Und das ist nicht die Politik. Wenn sich die offizielle Politik und ihre Medien gerne als Psychotherapeuten betätigen möchten, dann wäre eine entsprechende Ausbildung sicher empfehlenswert. Anderenfalls sagen die vollmundigen Ankündigungen nach oben zitiertem Muster mehr über den politischen Regelbetrieb in „diesem unserem Land“ aus, als dem politischen Establishment lieb sein dürfte. Denn wenn man sie beim Wort nimmt, laufen Angebote zum „Zerstreuen von Ängsten“, „Ernstnehmen von Nöten“ und andere psychotherapeutische Dienstleistungen auf nichts weiter als Brainwashing „unserer“ Wähler hinaus. Andere Lösungen für die konkreten Aufgaben der Zeit hat seitens der offiziellen Stellen anscheinend niemand und das ist im Wesentlichen eine Bankrotterklärung der offiziellen Politik.

An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen, heißt es so schön. Prototyp in dieser Hinsicht dürfte der neue Berliner Regierende Bürgermeister Müller sein, der am Wahlabend live und in Farbe vorrechnete, was das Wahlergebnis aus Sicht der deutschen Sozialdemokratie bedeutet: Dass 85% der Wählerinnen und Wähler „anständig“ geblieben wären. Anders als sein großer Vorsitzender griff Herr Müller von der SPD folglich nicht zum Stilmittel der
Wählerbeschimpfung, bepöbelte „seine“ Ex-Wähler also nicht als „Pack“, sondern verunglimpfte sie nur indirekt. Man hat wohl bei der SPD etwas „gelernt“, nur eben nicht das richtige. Immerhin lässt sich auf dem Rücken der von Herrn Müller zitierten Zahlen ebenfalls mit Fug und Recht behaupten, dass knapp 80% „unserer“ Wähler nicht die SPD gewählt haben. So einfach wird aus dem selbstverliebten Fallrückzieher eine Steilvorlage für ein Eigentor. Und ich will jetzt mal großzügig darüber hinwegsehen, dass man sich schon wundert, ob der Faschismus nicht vielleicht doch die entwickelte Form des Sozialismus sein könnte, wenn man einen Sozi wie Herrn Müller von der „Bekämpfung des politischen Gegners“ dröhnen hört.

Seitens des eindeutigen Wahlverlierers, der CDU, ging man etwas härter als bei der deutschen Sozialdemokratie mit sich selbst ins Gericht. Der eine Spitzenkandidat schied aus (Herr Henkel) und eine zukünftige Spitzenkandidatin in spe (Frau Dr. Merkel) räumte mit verhaltener Melodramatik ein, dass sie sich wünscht, „die Zeit zurückdrehen zu können“ und bestimmte Dinge nie gesagt zu haben. Ersteres ist leider nicht möglich und mit letzterem ist keinesfalls die im Alleingang ausgesprochene Einladung an die Unterdrückten und Verfolgten dieser Erde gemeint (vor allem aber an alle, die sich für „Refugees“ halten), sondern das berühmt-berüchtigte „Wir-schaffen-das-schon“. Also jenes Merkel-Wort, das nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin, sondern die halbe EU (sprich: Brüssel ohne die Briten) nicht nur den Schlaf, sondern vor allem den letzten Nerv geraubt hat. Immerhin sorgt Frau Dr. Merkel nicht nur dafür, dass die letzten verbliebenen Steuerzahler in Germany eine gigantische Rechnung für ihre „Willkommenskultur“ aufgebrummt bekommen (ca. 20 Mrd. Euro pro Jahr), sondern ebenso dafür, dass „Europa unter deutscher Führung“ sukzessive auseinanderbricht – in einer Art politischer Explosion in Zeitlupe.

Doch ich würde mit Frau Dr. Merkel nicht zu hart ins Gericht gehen, denn sie kann es eben nicht besser. Sie hat es nie besser gelernt. Als Frucht der Ost-Zone ist sie im demokratischen Betrieb der Bundesrepublik nie wirklich angekommen. Vielmehr hat sie viel dafür getan, dass aus der westdeutschen Christdemokratie eine zweite Blockflötenpartei wurde. Ja, liebe Christdemokraten, auch in der DDR gab es eine CDU, und die aktuell unter dieser Abkürzung bekannte Partei gleicht ihr mit jedem Tag mehr. Wie heißt es doch bei Lenin ebenso knapp wie richtig? „Die Opposition lässt sich am besten kontrollieren, indem wir sie selbst anführen.“ Frau Dr. Merkel kann das Zitat sicher mit Quellenangabe belegen, denn es gehörte in jeden sozialistischen Staatskundeunterricht. Vielleicht hätte es die CDU besser verdient, als von der eigenen Vorsitzenden hinters Licht geführt zu werden. Doch was nützt es alles, wenn die Betroffenen zusammen mit Eberhard Diepgen von einer „fortschrittlichen konservativen Partei“ schwärmen, die es gerade mal auf eine 17 vor dem Komma bringt?

Nun, selbstverständlich haben wir, liebe Leserinnen und Leser, diese exzellente Politik mit so exquisitem Personal einfach nicht verdient. Insofern geschieht es uns recht, wenn wir uns von Team Schwarz-Rot-Grün und seinen amtlichen und halbamtlichen Zentralorganen vorwerfen lassen müssen, wir hätten etwas „nicht kapiert“ und würden uns „von Demagogen ausnutzen“ lassen. Wir sind eben, liebe Leserinnen und Leser, einfach zu schwach und zu fehlbar um die tiefe Weisheit zu erkennen, mit der die offizielle Politik uns regiert und mit der sie so überreich gesegnet ist.
Wir sind nun mal darauf angewiesen, dass eine mit esoterischem Polit-Wissen begnadete Kaste für uns die Zügel in die Hand nimmt, weil sie sich so viel besser als wir Normalsterbliche darauf versteht, unsere Geschicke zu lenken. Wir Bürger, liebe Leserinnen und Leser, müssen für die Politik da sein – nicht umgekehrt. Denn selbstverständlich wollen die roten und die schwarzen Sozis sowie die Ökopathen nur unser Bestes – nämlich unser Geld. Und das nicht etwa, weil sie es vor allem mit sich selbst gut meinen. Sondern weil sie es so viel besser ausgeben können als wir. Natürlich machen wir es ihnen einfach zu leicht, mit etwas großzügig zu sein, das ihnen nicht gehört, sondern das sie nur verwalten. Aber in einer Stadt, in der die eine Hälfte bei Vater Staat beschäftigt ist und die andere Hälfte Sozialhilfe kassiert, macht man sich mit derlei Ansichten natürlich recht unbeliebt.

http://haolam.de/artikel_26483.html

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