Thursday, September 22, 2016

Völkerkunde mit Ikea: Alles so schön bunt hier



Ob ich den aktuellen 330-Seiter ebenso rasch entsorge wie die früheren, darüber bin ich mir allerdings noch nicht im Klaren. Denn die Ausgabe 2017 geht inhaltlich weit über das hinaus, was man von einer Warenübersicht erwartet. Schon der Rücken des Druckwerks lässt stutzen: „Entworfen für dich, nicht für Irgendwen“ steht da in Versalien. Wer beim Teutates ist bloß dieser Irgendwer? Mein Nachbar hat die gleichen Bücherregale wie ich, und auch sein Vuilnisbak kommt eindeutig aus der selben Vuilnisbakfabrik wie meiner. Er kann eigentlich nicht gemeint sein. Aber gut möglich, dass „Entworfen für dich, nicht für Irgendwen“ bloß ein flockiger Werbespruch ist, aus der Feder von jungen Leuten, die in Schweden irgendwas mit Marketing machen. Vielleicht sind es die Leute, die das Titelfoto zeigt. Ein Bild, das verwirrt. Schon beim ersten flüchtigen Blick darauf gerät man ins Stutzen und mag gar nicht weiter blättern, doch kann und darf das der Sinn eines Covers sein? Doch wohl nicht. Aber genau das löst es aus. Ein Mann und drei Frauen, er eine Mischung aus Hipster und Taliban, die Frauen wie aus dem Buch „Kleine Einführung in die Völkerkunde“. Ein Stuhl ist leer, offenbar nur für den Moment, wie die Suppenschale am Platz verrät; aus ihr ragt noch der Löffel, es wird also fraglos gleich weiter gegessen. Was will der leere Stuhl uns also sagen? Die vierte Frau holt etwas aus dem Inbouwkoelkast Frostig? Die jüngste Ehefrau muss schon im Bett liegen, weil morgen um 8 Uhr der Koranunterricht beginnt? Dann hätte sie aber doch zuerst den Löffel auf den Suppennapfunterteller Loeppeli legen müssen, bevor sie ins Bett geschickt wurde...Besonders viele Fragen wirft die Frau im Vordergrund auf. Man sieht sie von hinten, sie ist blond und hat die Haare zu einem Zopf zusammen gebunden. Wohlgemerkt kein akkurater Zopf, woran man erkennen kann, dass ihre Eltern keine Nazis sind. (In der Apothekenzeitschrift „Baby&Familie“ konnte man ja neulich lesen, dass Angehörige einer neuen „rechten Generation“ unter anderem an „Akkurat geflochtene Zöpfen“ erkennbar seien). Aber warum hat ihre Sitzgelegenheit keine Lehne? Warum ist diese überhaupt kleiner und unbequemer als die Stühle der Anderen? Fragen über Fragen über Fragen über Fragen. Die Antworten könnten verunsichern, und so will ich auch gar nicht weiter darauf eingehen, dass bei diesem Abendbrottisch kein alkoholisches Getränk zu sehen ist, statt dessen zwei Karaffen, in denen eine klare Flüssigkeit dümpelt, auf deren Oberfläche Zitronenscheiben schwimmen. Wer’s mag... Ich wette um eine Klinikpackung Koettbullar, dass es sich bei der Flüssigkeit um Wasser und nicht um Wodka handelt.
 Weiterlesen bei achgut

No comments: