Sunday, March 19, 2017

Kollektiver Selbstbetrug

Natürlich kam es, wie es kommen sollte: Erwartungsgemäß hat die SPD bei ihrem Sonderparteitag am Sonntag Martin Schulz ins Amt des Vorsitzenden gewählt und den ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst bestimmt. Die Partei verzichtete damit auf ein Zeichen tatsächlicher inhaltlicher Reformbereitschaft.
Umfrageergebnisse und ein ungewöhnlich hoher Mitgliederzuwachs sprechen derzeit dafür, daß die Sozialdemokratie wenig falsch macht. Mit Martin Schulz ist sogar ein Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels nicht mehr unwahrscheinlich. Dennoch, eine SPD, die in ihrem Programm mit einigem Stolz jüdisch-christliche Wurzeln betont, hätte gegen Martin Schulz entscheiden müssen.
Wer feststellt, Antisemitismus habe »Deutschland« im Zusammenspiel mit Rechtsextremismus und Rassismus »in seine schlimmste Katastrophe geführt«, und verspricht, »wir werden deshalb immer dafür kämpfen, dass unser Land nie wieder in Barbarei abgleitet«, ist unglaubwürdig, wählt er einen Martin Schulz, der einer antisemitischen Hetzrede in »seinem« Parlament Beifall spendete.
Freilich, das Hinwegsehen über Fehlverhalten hat in der SPD eine gewisse Tradition. So vergrault die deutsche Sozialdemokratie lieber auch altgediente Anhänger, als sich von Amtsinhabern zu verabschieden, deren moralisches Versagen nicht zu übersehen ist. Sigmar Gabriel mußte keinen Posten aufgeben, nachdem er Günter Grass öffentlich bescheinigt hatte, »kein Antisemit« zu sein.
Und nun wird Martin Schulz Parteivorsitzender, obschon ihn seine Weigerung, sein Versagen im Angesicht eines antisemitischen Hetzauftritts des »palästinensischen« Despoten Abu Mazen im Europäischen Parlament auch nur einzuräumen, für alle Zeit disqualifiziert: Folgt er gar Angela Merkel nach, bekommt Deutschland einen Kanzler, der Antisemitismus als »inspirierend« lobt.
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